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Immer mehr Menschen landen auf der Straße oder in öffentlichen Unterkünften. Seit Jahren beobachten wir bei Hinz&Kunzt diese Entwicklung mit Sorge. In den vergangenen Monaten stiegen zudem die Flüchtlingszahlen rasant an. „Das System der öffentlichen Unterbringung funktioniert in Hamburg nicht mehr“, sagt Hinz&Kunzt-Sozialarbeiter Stephan Karrenbauer.
Um die Fehler im System zu finden, muss man erst verstehen, wie es funktioniert. Wohnungslose sollen sich eigentlich bei den Fachstellen für Wohnungsnotfälle der Bezirke melden, um eine Wohnung vermittelt zu bekommen. Doch die Fachstellen können inzwischen oft nur ein Bett in der Notunterkunft Pik As anbieten, weil es zu wenige günstige freie Wohnungen in Hamburg gibt. Vom Pik As sollen die Wohnungssuchenden in die sogenannte Folgeunterbringung vermittelt werden, also in Gemeinschaftsunterkünfte, Wohncontainer oder kommunale Wohnungen.
Insgesamt lebten im August 12.809 Menschen in diesen Einrichtungen. Die folgende Grafik zeigt, wie viele Menschen wo leben. Unsere Karte zeigt alle Standorte öffentlicher Unterkünfte in Hamburg.
Schon bevor die Asylbewerberzahlen wieder stiegen, waren die Unterkünfte voll. Jetzt kommen jeden Monat hunderte Flüchtlinge nach Hamburg, die natürlich auch eine Unterkunft benötigen. Allein im August suchten 585 Menschen in Hamburg Schutz. Die Stadt unternimmt große Anstrengungen, sie alle unterzubringen. „Alles, was wir zurzeit an Unterbringungskapazitäten schaffen, schaffen wir, um Flüchtlingen Obdach zu geben“, sagt Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) im Interview mit Hinz&Kunzt.
Um alle Flüchtlinge zu versorgen, müsste seine Behörde jeden Monat zwei neue Unterkünfte eröffnen, rechnet der Senator vor. Dabei haben die Wohnungslosen das Nachsehen: Häufig sind für sie in den Unterkünften keine Plätze mehr frei. „Wohnungslose bleiben ein bisschen auf der Strecke“, räumt Detlef Scheele ein.
Mit Sorge betrachtet die Diakonie, dass Wohnungslose warten müssen, weil die Sozialbehörde gerade so die ankommenden Flüchtlinge unterbringen kann. „Das ist ein ganz falsches Signal“, sagt Dirk Hauer im Gespräch mit Hinz&Kunzt. Er ist Fachbereichsleiter Armut und Migration bei der Hamburger Diakonie und macht deutlich: „Obdachlose und Flüchtlinge haben die gleichen Rechte. Sie müssen gleichermaßen untergebracht werden.“
Im Prinzip sieht das auch die Sozialbehörde so: Diese Ungleichbehandlung sei nicht beabsichtigt, heißt es aus Scheeles Büro. Auch gebe es dafür rechtlich keinen Grund. Aber sie ist derzeit Realität.
Trotz der Anstrengungen der Behörden wird es auch für die ankommenden Flüchtlinge eng. Das Problem zeigt sich am deutlichsten in der Zentralen Erstaufnahme: Diese Einrichtungen sind so überfüllt, dass im September 339 Flüchtlinge sogar in Zelten übernachten mussten. Im Herbst hat die Stadt ihre Anstrengungen noch einmal verstärkt, neue Unterkünfte zu eröffnen. Der Senat hat Mitte September ein Sofortprogramm beschlossen und wendet inzwischen das so genannte Polizeirecht an. Damit können die Behörden Flächen unbürokratischer für Unterkünfte nutzen. Das Ziel: Im Winter soll kein Flüchtling mehr in Zelten schlafen müssen.
Die öffentlichen Unterkünfte in Hamburg sind seit Jahren verstopft. Das Problem beginnt bereits in der Zentralen Erstaufnahme: Dort leben 2125 Flüchtlinge (Stand: Ende August). 800 von ihnen sollen eigentlich in eine Folgeunterkunft ziehen. Aber dort ist kein Platz für sie. So ergeht es auch den Menschen in den Notunterkünften. 160 Wohnungslose hängen dort fest. Der Grund: Die Folgeunterkünfte, die sie aufnehmen sollen, sind völlig überfüllt.
Dabei haben fast 40 Prozent der 12.809 Unterkunftsbewohner Anrecht auf eine eigene Wohnung. Aber weil sie keine finden, kommt es im Unterkunftssystem zu einem endlosen Stau. Unsere Grafik zeigt, wie viele der Bewohner die jeweiligen Einrichtungen eigentlich verlassen könnten:
Der Stau hat auch fatale Folgen für die Obdachlosen auf der Straße. Sie haben keine Chance auf ein Bett in einer Unterkunft. Und der Senat muss zumindest im Winter ein immer größeres Winternotprogramm auflegen, um zu verhindern, dass Menschen erfrieren. 850 Plätze sind es in diesem Jahr, so viele wie nie zuvor. Schon jetzt ist klar: Im Frühjahr landen die meisten wieder auf der Straße. Gerade einmal 70 Obdachlose konnten im vergangenen Winter in eine dauerhafte Bleibe vermittelt werden.
Es ist eine vertrackte Situation: „Wir sollten zusehen, wohnberechtigte Menschen möglichst schnell in normale Mietverträge zu bringen“, sagte uns Rembert Vaerst, Geschäftsführer des Unterkunftsbetreibers fördern und wohnen, schon im März im Interview. Aber, so räumt er ein: Das gelinge immer weniger.
Insbesondere nehmen private Wohnungsunternehmen immer weniger Wohnungslose und Flüchtlinge auf. Das zeigt unsere Infografik. Hatten sie 2007 noch 946 Unterkunftsbewohner übernommen, waren es 2013 nur noch 536. Auch die Saga/GWG könnte mehr leisten: Im vergangenen Jahr hat das städtische Unternehmen rund 9000 Wohnungen neu vermietet. Etwa 3000 wurden für vordringlich Wohnungssuchende bereitgestellt, davon aber nur 852 für Wohnungslose.
Neue Unterkünfte können nur eine Übergangslösung sein. Um Platz in den bestehenden Unterkünften zu schaffen, muss es mehr Wohnungen geben, in die Flüchtlinge und Wohnungslose einziehen können. Die Stadt will jährlich 6000 neue Wohnungen bauen lassen, darunter 2000 geförderte. Das allein reicht sicher nicht, da Hamburgs Bevölkerung beständig wächst. Sozialsenator Scheele jedoch sieht wenig Handlungsmöglichkeiten: „Wie soll für 500 Menschen, die jeden Monat nach Hamburg kommen, sofort Wohnraum entstehen?“ Die Stadt könne nicht mehr tun, als neue Wohnungen bauen zu lassen.
Kann die Stadt wirklich nicht mehr tun? Was ist zum Beispiel mit den vielen leerstehenden Gebäuden in der Stadt?
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